Peter Baron
geb. 1959, Studium an der Kunstakademie Nürnberg.
Einzel und Gruppenausstellungen ( u.a. mit Burkard Blümlein, Eberhard Bosslet, Bogomir Ecker, Fischli/Weiss, Jochen Gerz, Res Ingold, Georg Karl Pfahler, Raffael Rheinsberg, Franz Erhard Walter..), Filmausstattung ( ZDF ), Kunst und Architektur (Architekturbüros Herle + Herrle, mprdo .. ), Kunst im öffentlichen Raum (temporäre Arbeiten, honey i rearranged the collection)
baron.opl@gmx.de


Friedmann Harzer, Dozent für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Augsburg
Elke Schmitter, Autorin und Journalistin ("ZEIT", "Spiegel", "Süddeutsche Zeitung",..)
Renate Roos, Journalistin
Manfred Schneckenburger, Kurator (documenta 5, documenta 8,..)
Burkard Blümlein, Professor für Bilhauerei an der Kunstakademie Nizza
Ulrich Wilmes, Kurator
Helmut Wagner, Journalist ("Passauer Neue Presse")
Harald Szeemann, Kurator (documenta 5, Biennale Venedig,..)
Rudolf Maria Bergmann, Autor und Journalist ("FAZ", "Bauwelt", "Baumeister",..)
Sabine Kammerl, Künstlerin
Franz Billmayer, Professor für Bildnerische Erziehung an der Universität Mozarteum Salzburg
Karlheinz Schmid, Autor, Journalist, Verleger







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Impressum

Angaben gemäß § 5 TMG:



Peter Baron
Fohlenhof 1
93080 Regensburg

E-Mail: baron.opl@gmx.de

Umsatzsteuer-Identifikationsnummer gem. § 27a UStG: 202/ 60071

Inhaltlich Verantwortlicher gem. § 55 II RStV: Peter Baron (Anschrift s.o.)

Du sollst Dir kein Bildnis machen
Siebdruck : 70 x 70 cm
Buchbeitrag zum gleichnamigen Projekt von Volker Hildebrand mit Beiträgen aus Kultur und Politik u.a. von Bernhard Johannes Blume, Wulf Herzogenrath, Kasper König, Luise Rinser, Karlheinz Stockhausen, Helmut Kohl, Rudolf Scharping …

Ohne Wände, ohne Worte - Peter Barons ernstes Spiel mit dem Raum


Der wahre Weg geht über ein Seil, das nicht in der Höhe gespannt ist, sondern knapp über
dem Boden. Es scheint mehr bestimmt stolpern zu machen, als begangen zu werden.
(Kafka, Aphorismen)


Er ist da und nicht da zugleich. Du siehst ihn nur im Plural, nicht wirklich im Singular. Du spürst ihn im Kernspint-Tomographen. Auf einer Bahre festgezurrt, fährst du in die enge Röhre ein. Dass sie vorn und hinten offen ist, vergisst die medizinisch-technische Assistentin zu sagen. Jetzt könntest du die Augen schließen, dann würde sich, innen, vielleicht eine Spur von offener Weite zeigen. Oder du starrst mit geöffneten Augen auf eine gebogene weiße Fläche, außen, die ohne Struktur und Anhalt ist, bis auf diesen blauen Längsstrich in der Mitte des Blickfelds.
Er, der da ist und nicht da zugleich und den Kant eine reine Anschauungsform nennt - neben der Zeit Bedingung der Möglichkeit, dass wir uns in diesem scheinbar geordneten Kosmos orientieren und bewegen können - er droht sich so dicht um dich zu schließen, dass du zu ersticken fürchtest.
Vom Raum ist die Rede - und damit von einem Grundthema Peter Barons, der fixe Raum-Ideen entsichert, indem er Spuren hinterlässt wie jene blaue Linie im Kernspint-Gerät. Ihm ist allerdings mehr eingefallen als eine Linie, wesentlich mehr: Er macht mit Ornamenten Oberflächen durchsichtig, installiert Spiegel an Orten, die sich als Baustelle, leer stehender Gewerberaum oder Existenzgründerzentrum in einem Übergang befinden, beschriftet Flächen so, dass Schrift zum Ornament und räumlich wird und die Willkürlichkeit jener Grenzen ans Licht kommt, die jede Orientierung im öffentlichen und sozialen Raum, unausgesprochen, voraussetzt, er greift mit unscheinbaren Objekten vorübergehend in öffentliche Nicht-Orte wie Stadt oder Flughafen ein oder macht die unerwartete Dynamik und Tiefe von Alltagsgegenständen wie Stufe, Herd oder Bank sichtbar. Mit alledem gibt Peter Baron den Raum zu bedeuten: weit, offen, unendlich und undefinierbar.



Too much thinking


Der Geist wird erst frei, wenn er aufhört, Halt zu sein.
(Kafka, Aphorismen)


Mit Set, seiner Abschlussarbeit an der Kunstakademie, verabschiedet er sich von der Idee, innere Vorgänge auf der Leinwand auszudrücken. Die Sachen, die er nun zu machen beginnt, sind vor allem auch Meditationsobjekte, die dem Betrachter blinde Flecken in der eigenen Orientierung zeigen und zur Achtsamkeit gegenüber dem Einfachen einladen. Das Künstler-Ego posaunt sich nicht in seine Kunst hinaus, das kleine Ich des Künstlers und des Betrachters wird vielmehr stiller angesichts des unendlich produktiven Möglichkeitsraums des Nicht-Ich. Wahrheit interessiert Peter Baron eher konkret und Kunst vor allem als sorgfältiges Handwerk.
"Too much thinking!": Mit diesen Worten hat der koreanische Zen-Meister Su Bong einmal einen eitel vor sich hin theoretisierenden Schüler zum Innehalten gebracht. Bei Peter Baron fordern Ornamente oder Arabesken ein Innehalten, offene Formen, die von alters her den Blick fürs Unendliche weiten sollen. Wenn das Auge, wie beim Blick aus Barons Kiosk, unsicher wird, was es fokussieren und scharf stellen soll, entsteht eine Kippfigur aus Vordergrund und Hintergrund, die eine neue Raumwahrnehmung ermöglicht. Die Muster beginnen, jetzt, zu pulsieren.
Manchmal zieren mandalaartige Strukturen Peter Barons Objekte und Installationen, zum Beispiel in Schatzkästchen oder in Geländer, wo Peter Baron ein mesopotamisches Urzeichen zitiert. Unendliches kann sich aber auch in All-Over-Strukturen realisieren, etwa in Stufe. Herausgelöst aus seinem Zusammenhang thematisiert dieser Gegenstand zunächst das Verhältnis von Teil und Ganzem: Die Türe, das Haus, das dazugehören müsste, fehlt - und diese Abwesenheit macht die Stufe umso präsenter; sie bildet den Hintergrund für unser Staunen über diesen Gegenstand. Das in präziser, geduldiger Feinarbeit eingeschnitzte Ornament, dessen Kreuzmuster das Verhältnis von Teil und Ganzem wieder aufgreift, verunsichert zugleich unseren eher achtlos flüchtigen Umgang mit Stufen, die man gemeinhin nicht beachtet, sondern betritt. Schließlich macht das Ornament den Raum, den diese Stufe als Raum im Raum umschließt, teilweise sichtbar.



Hinter den Spiegeln


Denn wir sind wie Baumstämme im Schnee. Scheinbar liegen sie glatt auf, und mit
kleinem Anstoß sollte man sie wegschieben können. Nein, das kann man nicht, denn
sie sind fest mit dem Boden verbunden. Aber sieh, sogar das ist nur scheinbar.
(Kafka, Die Bäume)


Anders lenkt Peter Baron den Blick in seinen Spiegelinstallationen. Er erweitert das minimalistische "What you see, is what you see", indem er den Blick auch auf das Wie des Sehens lenkt. In Spiegeln, die die Idee des Nicht-Ich veranschaulichen, sofern sie ein klares, ständig neu zu polierendes, unbeteiligtes 'Objektiv' sind, überlagern und überschneiden sich, wenn sie entsprechend aufgestellt werden, verschiedene Räume. Mehr noch, die Räume reflektieren sich gegenseitig und erlauben damit auch eine Reflexion auf unsere Wahrnehmungsmuster als solche. Für die Installation ab hier hat Peter Baron einen vorübergehend leer stehenden Gewerberaum verspiegelt und fotografiert:
Wie Satellitenschüsseln zeigen sich die runden Spiegel aufnahmebereit für Wirklichkeiten und Raumeffekte, die weit über das hinausgehen, was einer 'auf den ersten Blick' erkennen mag. Auf einem Spiegel markiert ein Punkt die Schnittstelle zwischen der Architektur und unserem Bild von ihr: What you see ist not really, what you see ... Wo eigentlich fliegt dieser Vogel, wen schreckt seine Silhouette hier ab, aufgeklebt wie auf unzähligen Glasfassaden öffentlicher Gebäude? Ein Spiegel hängt so, dass die Blätter in einem Fensterschacht von außen nach innen projiziert werden und so diese Grenze verwischt. An anderer Stelle bringt Peter Baron in der Mitte eines Spiegels ein kreisförmiges Ornament an, das er aus symmetrischen Bruchstücken einer Röntgenaufnahme zusammengesetzt hat, die einen menschlichen Rachen zeigt. Was aussieht wie die Blende eines Fotoapparats, erzeugt in Wahrheit eine Unschärfe: Just der menschliche Innenraum verstellt den Blick auf die äußeren Räume, in dem auch die Sprache entsteht, die ja wesentlich für unsere unscharfe Wahrnehmung konkreter und symbolischer Raumordnungen verantwortlich ist. Sprache - ein anderes wichtiges Thema bei Peter Baron.



Kein Bildnis machen


Die Sprache kann für alles außerhalb der sinnlichen Welt nur andeutungsweise, aber
niemals auch nur annähernd vergleichsweise gebraucht werden, da sie entsprechend
der sinnlichen Welt nur vom Besitz und seinen Beziehungen handelt.
(Kafka, Aphorismen)


In architektonischen Eingriffen spielt Peter Baron zuweilen mit Sprache: Dürfen die das? konfrontiert Passanten und Nachbarn mit dem eigenen Voyeurismus - der empörte Fragesatz ist in das Metall dreier beweglicher Zimmerfensterblenden geschnitten. Was einer von außen nicht sehen kann: Bei bestimmten Lichtverhältnissen fällt zum Beispiel der Schatten der Schriftzeichen Dürfen genau über das Bett, während ein Wohnraum und sein Interieur im Schatten des das? seine Vertrautheit verliert: Das? Ce n'est pas une chaise ... So fällt der Blick des äußeren Umfelds, ganz wörtlich, in mysteriöse Innenräume des Privaten, und bleibt doch außen vor, verwiesen auf die eigene Penetranz wie einer, der, so angestrengt er auch schauen mag, doch nur das eigene neugierige Auge im Glas einer verspiegelten Sonnenbrille entdeckt. Auch diese Fensterblenden sind Spiegel.
Ornithologische Fach- und Fremdwörter wie Orpheusspötter oder Schwarzstirnwürger, blass auf dicke, signalrote Zeilen im Treppenhaus eines gewerblich genutzten Hochhauses geschrieben, bezeichnen im Zusammenspiel mit leeren, blauen Nistkästen, die im Erdgeschoss echte Briefkästen spiegeln und zitieren, nicht zuletzt die Betriebsamkeit jener seltsamen Vögel, die hier täglich die Stufen hinauf und hinunter flattern.
Begrenzungen sind nicht denkbar ohne Bezeichnungen, zum Beispiel als Ländernamen auf Landkarten, die einen geografischen oder politischen Raum überschaubar machen sollen. Vor allem aber ist die Aufzeichnung von Sprache, ihre Schrift, selber ein Raumphänomen in mehrfachem Sinne: Schriftzeichen haben einen Umfang - im Fall von Hier zum Beispiel sind sie 45 cm hoch. Sie werden räumlich auch dadurch, dass sie, Peter Baron greift dies in Adressen auf, ursprünglich eingeritzt wurden, in Stein oder, bei den Germanen, in Buchenholz, daher der Buchstabe. Schließlich eröffnet die Schrift -in diesem Sinn kann man Sprache überhaupt als Schrift begreifen - einen nicht beherrschbaren Bedeutungsspielraum, in dem das Bezeichnete unter den Bezeichnungen immer wieder wegzuschlüpfen droht.
Peter Baron hat mehrfach mit diesen Eigentümlichkeiten von Sprache als Schrift gespielt. In Du sollst dir kein Bildnis machen zerlegt er eine türkische, englische und deutsche Version der alttestamentarischen Vorschrift in ihre Bestandteile und macht aus bedeutenden Worten wieder Wörter, Wortmaterial, das er in Zweiergruppen rekombiniert. Jeweils an einer Mittelachse gespiegelt wie Platons Kugelmenschen treten Wörter hier aus zwei verschiedenen, dort aus derselben Sprache zusammen, ohne dass dabei auf grammatische Kategorien oder gemeinsame Bedeutungen Rücksicht genommen würde. Diese Tandems ordnet Peter Baron, im Rahmen eines Quadrats, zu einer All-Over-Struktur aus Rauten an, die die reine Materialität der Lettern und ihrer Anordnung herausstellt. Damit hebelt er jene eingefahrene Mechanik aus, die aus Buchstaben, Wörtern und Sätzen Sinn erzeugt - und erlaubt dem Leser als Betrachter paradoxerweise genau dadurch, den Sinn des Titels zu realisieren und auf einer anderen, wenn man so will, meditativen Ebene doch wieder zu erfassen - vielleicht, indem sich das Muster der Lettern zu einem Gitter verselbständigt, zu einem flirrenden Netz, das an andere Ornamente erinnert und auf die Frage zurückführt: Was liegt jenseits der Bilder und Bedeutungen, was ist eigentlich dahinter ?
Räumlicher noch erscheinen die Buchstaben in Adressen. Peter Baron hat Kleinbuchstaben in die rechte obere Hälfte von Blöcken aus Multiplexplatten gekerbt und manche davon in einem vierstöckigen Regal aufgestellt, so dass die Buchstaben gar nicht zu sehen sind. Andere Blöcke hängen so, dass man die Lettern lesen kann und unwillkürlich zu deuten beginnt. Manche Buchstabenpaare stellen Länderkürzel aus Email-Adressen dar. vn steht für Vietnam, vu für Vanuatu: Wenn der Schnitzer das n auf den Kopf stellt, verwandelt sich Vietnam in Vanuatu, eine minimale Verschiebung im Buchstabenraum, die eine riesige Entfernung im imaginären Raum der politischen Ordnungen bezeichnet.
Die eigenwillige Hängung im Raum des Museums erweist, wie beliebig die Grenzen in unserer Welt gezogen sind, und eingestreute Einzelbuchstaben unterstreichen das noch. Ein o, das an den Punkt auf einem Spiegel in ab hier erinnert, signalisiert, wie virtuell politische Räume eigentlich sind. Im Zeitalter des WWW, in dem eine Email in weniger als einer Sekunde Vietnam erreicht, wird die Fragilität geografischer und politischer Ordnungen und Distanzen noch offensichtlicher: Wohin gehst du, wenn du ins Internet gehst?



Still am Rand


Dieses Gefühl: "hier ankere ich nicht" und gleich die wogende tragende Flut um sich fühlen.
(Kafka, Aphorismen)


Peter Baron hat sich auch mit Nicht-Orten befasst, die man nicht nur ersurfen, sondern tatsächlich erfahren und erleben kann. In der Aktion Werbeständer stellt er einen Werbeständer aus zwei rohen MDF-Platten während der 52. Biennale in Venedig auf, erst auf dem Markusplatz, dann vor dem Eingang Arsenale. Dieser Ständer ist leer bis auf eine arabeske Girlande an den Oberseiten der beiden Platten, die vor San Marco mit den Balustraden der Gebäude korrespondiert und vor dem Eingang Arsenale das Biennale-Motto konterkariert. So liegen diese beiden Plätze aufgrund ihres fassadenhaften Eventcharakters näher beieinander, als uns der Stadtplan glauben macht.
Werbung, gerade solche für Kunst, erweist sich als hohl, was schon auf dem Markusplatz ein paar Passanten irritiert und vor der eigentlichen Ausstellung auch zu einer offiziellen Reaktion führt: Einige Besucher rufen das Personal herbei, das, zunächst ratlos, beschließt, das Objekt entfernen zu lassen. So spielen sie mit in diesem Spiel mit dem öffentlichen Raum.
Die Idee, eine kleine Rosette als leichtes Gepäck auf Flugreisen mitzunehmen und in New York, Dubai, Bangkok und Osaka vorübergehend an eine Scheibe zu heften, könnte ebenfalls leicht zu (Über-) Reaktionen führen: Verbirgt dieser schwarze Gegenstand womöglich mehr als nur eine zündende Idee, hat er am Ende eine tödliche Bedeutung an diesen öffentlichen Flughäfen, die spätestens seit dem 11. September 2001 fragil und gefährdet wirken? Nicht nur in der fotografischen Dokumentation sind die genannten Orte einander bedrohlich nahe gekommen. Al Quaida ist überall, die Unterscheidung zwischen nah und fern greift so wenig mehr wie bei den Adressen.
Vielleicht weniger spektakulär, aber kaum weniger abgründig greift Peter Baron mit Vom Verschwinden nicht nur in einen öffentlichen Ort, sondern auch in dessen kollektives Gedächtnis ein. Das Objekt, das er an einer Bürgerhausfassade in der Regensburger Altstadt vorübergehend befestigt, gleicht formal vollkommen den braunen Hinweisschildern, die beflissene Touristen an die Herkunft der historischen Bauten erinnern. Eins dieser Schilder hängt, auf gleicher Höhe, an der gegenüberliegenden Hauswand, so dass die Kopie der stadtgeschichtlichen Tafel eine kritische Reflexion unserer Erinnerungsräume erlaubt: Mit Ornamenten verziert, die sich, je nach Beleuchtung, plastisch abzeichnen oder im Schatten verschwinden, hält Peter Barons Objekt die Zeit gerade nicht fest, sondern inszeniert deren Werden und Vergehen im Raum - und ohne Substanz.



Niemand zu Hause


Ein Käfig ging einen Vogel suchen.
(Kafka, Aphorismen)


Garderoben werden im Alltag kaum weniger stiefmütterlich behandelt als Stufen. Dabei gäben sie, als Grenzmarkierung zwischen heimlich und unheimlich, mindestens so viel zu denken. Peter Baron hat in einer Passauer Arztpraxis einer Garderobe gegenüber zwei ovale Spiegel aufgehängt und dabei jeweils einen kreisförmigen Ausschnitt von knapp 13 Zentimetern herausgeschnitten, hinter dem sich eine weitere Spiegelebene befindet. Der Betrachter sieht dieselbe Garderobe auch dann noch, wenn er durch eins der auf unterschiedlicher Höhe angebrachten Gucklöcher hinter das erste Spiegelbild kommen will. Während die Öffnungen in den Schaukästen wenigstens teilweise einen Durchblick ermöglichen, gibt es in dieser Installation gar kein Dahinter-Kommen: Eine Garderobe ist eine Garderobe ist eine Garderobe...
Und wo und wer ist das Ich, das solches einsieht? Dies zu erkennen verlangt nicht nur Mantel und Mütze abzulegen, sondern auch Muster, angelernte Denk- und Empfindungsmuster - die Gucklöcher in Garderobe erinnern nicht umsonst an Schablonen. Sind diese abgelegt, öffnet sich ein Spielraum, in dem sich das Einfache voraussetzungslos zeigen kann, zuerst vielleicht da, wo wir schlafen, kochen, essen und zusammen sitzen, in unserer unmittelbaren Umgebung.
Peter Baron hat einen Herd maßstabsgetreu aus MDF-Platten nachgebaut, weiß bis auf das schwarz lackierte, nicht weiter strukturierte Kochfeld. Im unteren Drittel des Deckels, der im Gegensatz zu den meisten real existierenden Herden in einer Version auch geschlossen wird, führt ein Ornament den Blick über den alltäglichen Gebrauch hinaus. Das Objekt zeigt, weil es nicht funktionieren muss, was es im sozialen Raum der Familie vor allem markiert: eine nährende Mitte. Ein Herd steht im Mittelpunkt der Tempel vieler Religionen. Vor allem eines durfte den römischen Vestalinnen nicht passieren: Dass sie das Tag und Nacht brennende Feuer in ihrem Heiligtum erlöschen ließen.
Sitzgelegenheit, eine Installation in der Neuburger Städtischen Galerie im Rathausfletz, besteht aus vier Bänken, deren Aufstellung im Quadrat die Vierung im Mittelpunkt dieses Renaissancesraums aufnimmt und das repräsentativ gedachte Zentrum dieser Architektur gleichsam privatisiert und listig verkleinert. An der Wand lehnen MDF-Platten wie ihrerseits abgeschlagene Wände, in denen Öffnungen, die die Konturen einiger Fenster des Ausstellungsgebäudes zitieren, zu einem Dahinter-Schauen einladen, das paradoxerweise nur dem gelingt, der sich umdreht und auf die Sitzgruppe blickt. Weil keine Wand diese Bänke einschließt, erkennt man, dass sie, in diesem Moment von keinem Menschen besessen, erstaunlicherweise gerade deshalb einen Gemeinschaftsraum ausprägen, einen Ort für menschliche Begegnungen, die ohne diese stille Voraussetzung nicht stattfinden würden.
Garderobe, Herd, Sitzgelegenheit oder Bank: Was immer dahinter ist, ist jeweils eine weitere Dimension des sozialen, architektonischen, politischen, historischen, kulturellen oder spirituellen Raums, einer in den anderen geschachtelt wie russische Puppen, nur mit dem Unterschied, dass es im Grunde keine innere und äußere, keine erste oder letzte Puppe gibt.
Peter Baron stellt jenes Bewohnte, Gewohnte in Frage, das ein Hotel schon aufgrund seiner Funktion reflektiert. Ein Gast fühlt sich dort höchstens wie zu Hause und vielleicht sagt ihm sein mulmiges Gefühl: Irgendwas stimmt hier doch nicht? In der unheimlichen Fremde liegt das Verfremden noch näher als daheim.
Im ersten Stock eines Hotels verfremdet Peter Baron eines der Fenster: Wie auf einem Foto-Negativ ersetzen zwei Granitblöcke die Glasflügel der übrigen Fenster, aus denen die Eisengitter im unteren Viertel herausgefräst sind. Das Hotel wirkt an dieser Stelle, an der durchsichtig und undurchsichtig vertauscht sind, nicht einladend, sondern abweisend. Kein wärmendes Zuhause, sondern versteinerte und versteinernde Fremde. Keine Einladung zum Bleiben - vielleicht aber eine, sich aufzumachen auf eine innere Reise, bei verdunkelten Fenstern, mit geschlossenen Lidern?
Nirgendwo zieht man im sozialen Raum Grenzen so scharf wie an Schulen, starre Trennlinien zwischen gut und schlecht, brav und frech, fleißig und faul. Bewegung gilt auf dem Pausenhof und in der Turnhalle, ansonsten gilt es ruhig zu sitzen. Wer während einer Unterrichtsstunde durch Schulgänge schleicht, den erinnert die Stille dort an einen vielfach angehaltenen Atem. Peter Baron hat, in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Herle + Herrle, Schulgebäude gleichsam gelüftet, indem er mit Eingriffen in deren Fassaden, aufs Verbergen und Abgrenzen angelegte Verkleidungen, Schulen als prinzipiell offene Orte reflektiert, Räume, in denen sich sichtbare wie unsichtbare Grenzlinien berühren und kreuzen.
In der Realschule Neuburg paust er das ornamentale Muster zweier weiß lackierter Fassadenplatten aus Aluminium auf die jeweilige Innenwand durch: Grau und schemenhaft ist es dort, als Negativ, wieder zu entdecken, die undurchdringliche Wand wird zum empfänglichen Kohlepapier. Die Arbeit heißt der Der gesammelte Blick, weil in einem den abgedrückten Ornamenten gegenüber hängenden Regal deren Muster als konkrete Objekte gesammelt sind. Schulischer Raum wird begreifbar: die einzelnen Teile seiner verzierten Außenflächen kann man ergreifen und nach drinnen tragen, durch eine Schule, die ins Gespräch mit ihrer Umgebung und ihrem Hintergrund tritt, ein nun mehr dynamischer, offener Raum.
Wer die Realschule Kösching von Ferne betrachtet, fühlt sich an eine von Peter Barons All-Over-Strukturen erinnert: Auf drei Stockwerken wechseln sich rechteckige, offene Fenster ab mit Platten aus Glas und Cortenstahl. In der Mitte dieser von Stockwerk zu Stockwerk versetzt angebrachten Verkleidungen befindet sich ein dunkleres Quadrat. Beim Näherkommen erkennt man die ornamentale Spiral-Struktur eines Siebdrucks auf den einzelnen Tafeln. Von innen betrachtet erweist sich diese Struktur als Reproduktion einer Federzeichnung, zu der sich Filippo Lippi von den Grotesken in Neros Domus Aurea hat anregen lassen.
Fassade integriert wesentliche Aspekte der Arbeit Peter Barons: Das vermeintlich starre Gegeneinander von Außen und Innen, Abbild und Urbild, Vergangenheit und Gegenwart, Notwendigkeit und Freiheit, Zwang und Spiel, Sinn und Unsinn macht er, jeweils in einem elementar räumlichen und darin einfachen Sinne, als so brüchig wie hintergründig durchschaubar: Die zitierte Groteske Lippis zitiert ihrerseits den Palast eines der despotischsten Potentaten des Abendlands, ausgegraben in eben der Zeit, in der man, so behaupten es die Schulbücher, das seiner selbst mächtige Individuum wieder entdeckt. Peter Baron zieht die Tuschzeichnung indessen nicht aus fröhlichem Ekklektizismus aus dem Archiv, er nutzt sie vielmehr als Rahmen für mögliche Momentaufnahmen in sich ständig wandelnden Umständen: Seine Fassade erlaubt, durch jene inneren Quadrate in den Verkleidungen, die von außen fast undurchsichtig wirkten, einen Blick auf die Gegenwart: Bald sieht man in den Himmel über Kösching, bald auf einen Fahrradständer, in dem die Räder nach Hause wollen, bald wieder auf etwas ganz Anderes.
Offenheit bedeutet Unsicherheit - woran soll man sich halten, wenn alles fließt ? Sie bedeutet aber auch Freiheit - jeder Tag ein neues Leben. Beides spielt in der Arbeit der Münchner Media Agentur MWO keine unbeträchtliche Rolle. Ihre Büros sind um ein geräumiges Foyer herum angeordnet, in das Peter Baron ein Kartenhaus gebaut hat: Ein wacklig wirkendes Gebilde, teilweise auf das Forum hin offen, im Zentrum zwei Bänke und zwei Sitzwürfel um eine schlichte rechteckige Tischplatte gestellt, alles aus rohen MDF-Platten gezimmert. Einige der Außenteile, lichtdurchlässige weiße Kunststoffplatten, sind mit Scharnieren verbunden, sodass sie anders aufgestellt und verschoben werden können. Dieser Raum im Raum lebt, weil er leicht umgebaut werden kann wie Bierdeckel auf einem Wirtshaustisch. Und, weil er die Menschen, die aus ihren Büros kommen, einlädt, sich für kurze Zeit niederzulassen, vielleicht auch um Schutz zu suchen unterm zweckfreien Dach, im zweckfreien Gespräch - ein Kommen und Gehen, Agieren und Reagieren, das im Kleinen nachspielt, was durch MWO täglich im großen Stil geschieht. Paradox ist das Kartenhaus: Dauerhaft installiert, zitiert es die Form des sprichwörtlich instabilen Papphäuschen, ein Kinder-Spiel mit dem Bauen, Wohnen, Denken inmitten eines Medien-Unternehmens, das die ihm anvertrauten Werbungen und Kampagnen in harter Arbeit vermarktet und das mit Gewinn.
Der Raum ist nicht zuletzt deswegen unfassbar lebendig, weil wir ihn in der Zeit erleben, mal so und mal so. An einem Feuerwehrturm hat Peter Baron drei Übungsbalkone um zwei formal und farblich entsprechende Objekte ergänzt, die nicht einmal zu Übungszwecken zu gebrauchen sind. An diesen Vorbauten werden nachts nur die Seitenflächen beleuchtet: Sie bilden in der Dunkelheit ein Muster aus Licht, das die nur mehr zu erahnende reale Raumkante des Turmes aufzulösen scheint. Hat man es überhaupt noch mit demselben Objekt zu tun wie am Tage, befindet man sich noch am selben Ort, im selben Raum?
Einfach grenzenlos ist die Weite in und außer, unter und über, vor und nach allen konkreten Orten. Wie Pfeile, die ins Leere, wie Finger, die auf den Mond deuten, weist Peter Baron dezent auf Heiddegers "Nichts am Krug" hin und auf Morgensterns "Zwischenraum hindurchzuschaun": ein ernstes Spiel mit dem Raum, souverän ausbalanciert zwischen existentialistischem Staunen und minimalistischer Ironie. Er steht dabei nicht zuletzt in jener Tradition "tagheller Mystik des Ostens", von der Musil einmal anerkennend spricht. Wie sonst könnte er die Innenräume seiner Nistkästen und Schatzkästchen verbergen und erhellen in eins? Wie sonst könnten wir sein Fenster durchschauen, dessen Blindheit den Blick erst frei macht - worauf ?



Friedmann Harzer


Temporäre Arbeiten Permanente Arbeiten Objekte